Integration und Lebensführung

Das an der Hochschule für Soziale Arbeit der Fachhochschule Nordwestschweiz (HSA FHNW) entwickelte Konzept von Integration und Lebensführung beruht auf der Skizze einer forschungsbasierten Theorie der Sozialen Arbeit (Sommerfeld/Hollenstein/Calzaferri 2011) und ist im neu erschienen Buch «Klinische Soziale Arbeit und Psychiatrie. Entwicklungslinien einer handlungstheoretischen Wissensbasis» (Sommerfeld/Dällenbach/Rüegger/Hollenstein 2016) als allgemeine Theorie der Sozialen Arbeit weiter konkretisiert worden.

Die allgemeine Theorie der Sozialen Arbeit setzt dort an, wo alle Theorien der Sozialen Arbeit ihren Ausgangspunkt haben: an der Schnittstelle von Individuen und Gesellschaft. Menschen sind nicht einfach in der Welt, sondern sie schaffen sich ihre Lebensverhältnisse, indem sie tätig werden und sich erkennend mit der Welt, die sie vorfinden, auseinander setzen. Mit anderen Worten: sie führen ihr Leben. Wir gehen also davon aus, dass Menschen ihr Leben in ihrem individuellen Lebensführungssystem führen.

Das Lebensführungssystem setzt sich aus dem Individuum und seinen ganz spezifischen Formen der Integration in diverse soziale Handlungssysteme (z.B. Familie, Arbeit, Hilfesysteme) zusammen.

Lebensführungssystem

Der Mensch als bio-psycho-soziales Wesen ist die eine Seite eines Lebensführungssystems und die konkreten Handlungssysteme mit ihren Bedingungen die andere, wobei beide Seiten dynamisch über Wechselwirkungen miteinander verknüpft sind und sich gegenseitig bedingen. Das Lebensführungssystem ist ein sich selbst organisierendes System, in welchem das Individuum – vermittelt durch seine Integration in die verschiedenen sozialen Handlungssysteme – sein Leben auf seine eigene, ganz bestimmte Art und Weise führt. Mit dieser Lebensführung gehen Aufgaben der Lebensbewältigung und entsprechende Schwierigkeiten einher. Soziale Probleme und Krisen entstehen dann, wenn die Form, wie ein Mensch in seine Handlungssysteme eingebunden ist, auf seiner individuellen Ebene problematische Muster aktiviert und/oder seine bio-psycho-sozialen Bedürfnisse nicht mehr befriedigt werden können.

Das Konzept «Integration und Lebensführung» bietet für Fachpersonen der Sozialen Arbeit einen theoretischen Bezugsrahmen sowie verschiedene Instrumente und Verfahren um

  • die psycho-soziale Komplexität und Dynamik eines Falles zu erfassen und zu verstehen (mit anderen Worten: Es geht darum, die individuellen Integrationsbedingungen und Aktivitäten im Lebensführungssystem einer Klientin, eines Klienten in ihrem konstitutiven Aufeinanderbezogensein zu verstehen bzw. die damit verbundene (bio-)psycho-soziale Problemdynamik zu erkennen)
  • sowie diese diagnostischen Erkenntnisse gezielt in Aushandlungsprozesse mit der Klientin, dem Klienten und in die interprofessionelle und interorganisationale Kooperation einzubringen.

Damit kann die Soziale Arbeit ihre Interventionen nachvollziehbar und begründet auf die konkrete Falldynamik abstimmen und Lebensführungssysteme zusammen mit Klient(inn)en und anderen Leistungserbringer/innen nachhaltig bearbeiten, so dass günstige Bedingungen bestärkt und positive Entwicklungen initiiert und gefördert werden.

Die Entwicklung der Instrumente und Verfahren für die soziale Diagnostik und die Prozessgestaltung erfolgt(e) an der HSA FHNW im Rahmen von Forschungs- und Entwicklungsprojekten mit verschiedenen Praxispartner/innen. Die Instrumente werden in Zusammenarbeit mit ihnen je nach Bedarf an ihre Praxis angepasst (siehe Dienstleistungen). Das Konzept Integration und Lebensführung wird auch in der Aus- und Weiterbildung vermittelt.

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